Diskriminierung, Rassismus und Mobbing in Unternehmen oder Behörden: Gesetze reichen nicht

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Das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (#AGG) wird beworben mit „schützt vor Diskriminierung“ und „schützt vor rassistischer Diskriminierung“ (*01). §12 Abs.1 des AGG verpflichtet den Arbeitgeber dazu, Maßnahmen zum Schutz zu treffen. Aber ist die Schutzwirkung des AGG wirklich groß genug ?

Grundlagen

Die Bundesregierung hat vor sechs Jahren (2017) in ihrer Studie zu Diskriminierungserfahrungen (*02) festgestellt, dass etwa ein viertel (23,3 %) aller Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb der letzten 2 Jahre von Diskriminierung betroffen waren (S.101).

Die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahre 2023 dazu (*03) stellt fest, dass etwa die Hälfte aller Menschen (52 %) mit Migrationshintergrund in den letzten 12 Monaten von Diskriminierung betroffen waren (S.26).

Auch wenn das Studiendesign nicht exakt gleich war, so lässt sich doch daraus schließen, dass die die Effizienz des Schutzes durch das AGG nicht gestiegen ist sondern abgenommen hat. Und dies wiederum zeigt : Die Existenz eines solchen Gesetzes reicht nicht aus um Diskriminierung, Rassismus oder Mobbing auf einem niedrigen Niveau zu halten.

Diese Schlussfolgerung ist natürlich keine Überraschung für diejenigen, die immer wieder davon betroffen sind und schon gar nicht für Expertinnen und Experten zu diesem Thema.

Am Rande sei hier darauf verweisen, dass selbst die Evaluation des AGG durch die Bundesregierung aus dem Jahre 2016 (*04), schon zu einem ähnlichen Schluss kam (S.64) : „Beispiele aus anderen EU-Ländern deuten darauf hin, dass ‚proaktive Gleichstellungsmodelle bei der Bekämpfung von systemischer und struktureller Diskriminierung eindeutig wirksamer sind‘ als die juristische Bearbeitung von Diskriminierungsvorfällen.“

Was hilft im betrieblichen und behördlichen Umfeld ?

Es gibt meiner Ansicht nach vier Perspektiven, die wesentlich für die Minimierung von Diskriminierung, Rassismus und Mobbing sind :

1. Es MUSS eine regelmäßige Aufklärung und Sensibilisierung ALLER Beschäftigten über die drei Begriffe Diskriminierung, Rassismus und Mobbing stattfinden.

2. Wie MÜSSEN Führungskräfte sich verhalten, wenn in ihrem Verantwortungsbereich entsprechende Fälle auftreten

3. Wie MÜSSEN HR (Personalbereich)-Beschäftigte sich verhalten, wenn sie entsprechende Fälle bearbeiten

4. Es MUSS ernsthafte Konsequenzen für Beschäftigte geben, die eindeutig eine diskriminierende oder rassistische Grundeinstellung haben.

Zu Punkt 1 muss man leider feststellen, dass das AGG hierbei leider keine große Hilfe ist, denn wenn es um die praktische Umsetzung des Schutzes (§12 Abs.2) geht, dann ist der Arbeitgeber plötzlich nicht verpflichtet, sondern „soll“ im Rahmen von Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit hinweisen.

Das die Aufklärung und Sensibilisierung für die Themen wichtig ist, ergibt sich unter anderem auch daraus, dass unser Bild von Menschen aus fernen Ländern in Deutschland seit vielen Jahrzehnten sehr stark durch eine einseitige, negative und auf Probleme fokussierte Berichterstattung geprägt wird. Begegnen wir nun Menschen, die unserer Meinung nach so aussehen, als ob sie aus diesen fernen Ländern kämen, so schlagen gerne haufenweise Vorurteile und Stereotypisierungen zu.

Punkt 2 ist meiner Erfahrung nach für Betroffene von größter Bedeutung, denn es gibt nichts schlimmeres als Führungskräfte die wegschauen, bagatelisieren oder gar Täter(innen) helfen. Solch ein Verhalten ist nicht nur moralisch gesehen absolut unangebracht (hier müsste man eigentlich noch härtere Worte wählen), es stellt auch einen klaren Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz dar (psychische Belastung am Arbeitsplatz).

Punkt 3 mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheine, weil man eigentlich erwarten würde, dass alle Beschäftigte aus dem HR- / Personal-Bereich zu diesem Thema gut qualifiziert wären. Die Realität sieht aber leider manchmal anders aus (vgl. *05 : „Die Personalverwaltung versucht nun das Problem nach ‚alter und bewährter‘ Weise zu lösen, indem man den Betroffenen zunächst an die ‚doch für alle geltenden Spielregeln‘ erinnert; an seine Toleranz appelliert, doch nicht alles gleich ‚krumm‘ zu nehmen und ihm für den Fall, dass sich die Situation künftig nicht bessern sollte, gleich die Umsetzung auf einen anderen Dienstposten/Arbeitsplatz ankündigt.“).

Umsetzung

Da das Gesetz bei den vier beschriebenen Punkten kaum klare Vorgaben macht, hilft nur eine innerbetriebliche bzw. innerbehördliche Lösung. Der beste Weg wäre der Abschluss einer entsprechenden (Dienst-) Vereinbarung mit der Personalvertretung (Betriebsrat/Personalrat).

Solch eine Vereinbarung müsste die Punkte 1 bis 3 konkretisieren, eine jährliche Informierung und Sensiblisierung festlegen, Führungskräften Vorgaben machen, wie sie sich im Umgang mit solchen Fällen zu verhalten haben und auch festhalten, welche Vorgehensweisen nicht akzeptabel sind (z.B. als erstes eine gemeinsame Besprechung mit vermeintlicher Täterin bzw. vermeintlichem Täter und vermeintlichem Opfer organisieren).

Dies funktioniert nur, wenn das Top-Management bzw. die Behörden-Leitung sich des Themas annimmt, den Handlungsbedarf erkennt und inhaltlich hinter solch einer Vereinbarung steht. Ist dies nicht der Fall, so greift wohl das Sprichwort mit dem Fisch und dem Kopf.

Natürlich darf der Personal/Betriebsrat hier durchaus Initiative zeigen und der Unternehmens-/Behörden-Leitung einen Entwurf vorlegen. Immerhin wäre dies sicherlich im Interesse der Beschäftigen.

 

Quellen:

*01 : Das AGG schützt

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/agg-schuetzt/agg-schuetzt_node.html

*02 : Beigang, Steffen; Fetz, Karolina; Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Baden-Baden: Nomos.

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_diskriminierungserfahrungen_in_deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=6

*03 : Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/diskriminierung-in-der-einwanderungsgesellschaft

*04 : Berghahn/Klapp/Tischbirek, Evaluation des AGG, erstellt im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2016

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/AGG/agg_evaluation.pdf?__blob=publicationFile&v=12

*05 : Honsa, Hans-Jürgen ; Mobbing und sexuelle Belästigung im öffentlichen Dienst (2008) ; Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & co.

 

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